Andacht zum Sonntag Judica, 29. März 2020

Andacht zum Sonntag Judica, 29. März 2020 von Pfarrer Reichmann In der Coronakrise zum Predigttext des Sonntags Hebräer 13, 12 -14

Darum hat auch Jesus, damit er das Volk heilige durch sein eigenes Blut, gelitten draußen vor dem Tor. So lasst uns nun zu ihm hinausgehen vor das Lager und seine Schmach tragen. Denn wir haben hier keine bleibende Stadt, sondern die zukünftige suchen wir.

Liebe Schwestern und Brüder, vielleicht kennen Sie noch den Ausdruck: „...er oder sie ist durch eine harte Schule gegangen“? Eine entbehrungsreiche Lebenszeit war damit gemeint,gekennzeichnet von Pflichten, Aufgaben und meist auch Demütigungen aus „Erziehungsgründen“. Ein Mensch in harter Schule lernt unter Schmerzen. Mit dem heutigen Schulwesen hat dieser Ausdruck nicht im Entferntesten mehr etwas zu tun, wohl aber mit unseren Erfahrungen in der Corona – Krise.

Was müssen wir nicht alles (wieder) lernen? Welche lieb gewordenen Gewohnheiten erweisen sich nicht als gefährlich? Die gesamte Freizeitgestaltung, das Arbeitsleben, Schule sowieso und Kindergärten, das Einkaufen, einfach alles läuft, muss jetzt anders laufen als „normal“, um den Schaden zu begrenzen. Wir lernen gezwungenermaßen in Rekordzeit einen ganz anderen Lebensstil.

Unterscheiden zwischen wichtig und unwichtig, loslassen, verzichten ist mühsam, strengt an und macht überhaupt keinen Spaß. Sozialwissenschaftlersagen: Unsere Gesellschaft wird nach Corona eine andere sein. Sie setzen darauf, dass Menschen aus Krisen lernen können, dass Solidarität und Gemeinsinn wieder als grundlegende Werte geschätzt werden. Das ist sehr theoretisch. Denn wenn die Gesellschaft sich ändern soll, dann müsste die große Mehrheit der Menschen völlig umdenken.

Psychologen sagen dagegen: Das geht nur für einenbegrenzten Zeitraum. Die Menschen brauchen dieAussicht, dass das alles mal wieder aufhört mit den Einschränkungen und dem Verzicht. Damit sie nicht abstumpfen und gleichgültig werden oder leichtsinnig oder aufmüpfig. Die Sehnsucht nachdem „normalen Alltag“ macht die meisten Menschen sonst verrückt. Sie brauchen ihren gewohnten Wohlstand, weil ihnen weiter nichts Sicherheit gibt im Leben.

Einer der großen Theologen, Johann Baptist Metz, sagt:. „Die kürzeste Definition von Religion heißt Unterbrechung.“ Unterbrechung der Gewohnheiten, denen wir uns verpflichtet fühlen. Unterbrechungder Ansichten und Erklärungen, was gut und richtig für uns ist und was wir unbedingt zum Lebenbrauchen. Nachzudenken darüber, warum es uns so schwer fällt, die Wahrheit auszuhalten, wie wir sie im Hebräerbrief lesen können: „Denn wir haben hier keine bleibende Stadt, sondern die zukünftige suchen wir.“

Wir sind Suchende in dieser Welt und bleiben es bis zu ihrem Ende. Suchende klammern sich nicht an dem fest, was sie haben. Sie sind unterwegs, lassen zurück, was ihre Suche hemmt. Sie sind aufeinanderangewiesen, um den richtigen Weg zu finden. Sie teilen die Vorräte und stärken sich gegenseitig, denn der Weg ist lang.

In dieser Welt, in der nur die schnellen Erfolge zählen und die Wege immer kürzer werden, wie uns das Corona – Virus leidvoll deutlich macht, werden die Suchenden verlacht, verkannt, verspottet, nicht ernst genommen, an den Rand gedrängt, ausgeschlossen. Liegt das daran, dass sie immer wieder einmal die Fassadenwelt der angeblichen Sicherheit durchschauen? Liegt das daran, dass ihre Sehnsucht ein Ziel hat, das nicht käuflich ist? Dass sie wissen, die Sehnsucht ist kein Mangel an Möglichkeiten, sondern eine Gotteskraft, die zur Erlösung führt?

Das „Draußen – Sein“ können die Suchenden ertragen. Denn sie vertrauen darauf, dass sie nicht allein sind. „Darum hat auch Jesus, damit er das Volk heilige durch sein eigenes Blut, gelitten draußen vor dem Tor. So lasst uns nun zu ihm hinausgehen vor das Lager und seine Schmach tragen.“ Christus selbst ist bei ihnen draußen. Dort, wo er Zeit seines Lebens unterwegs war.

Nach seinem Vorbild und mit seiner Hilfe lesen die Suchenden in den Augen eines jeden Menschen die Sehnsucht nach Leben, nach Anerkennung, Wertschätzung und Liebe. Und teilen mit ihnen durch ihre Art zu leben und zu reden die Hoffnung, aus der sie leben: Die Hoffnung, dass es für sie alle ein zu Hause gibt in der Zukunft, die Gott allein gehört. Der Schreiber des Hebräerbriefes nennt dieses Zuhause „Ruhe“. „Es ist noch eine Ruhe vorhanden, dem Volke Gottes“, schreibt er. Diese Ruhe hat nichts mit einem Schlaraffenland zu tun, nichts mit einer gefühlten Sicherheit durch Besitz. Sie ist die Geborgenheit des Herzens in Gottes Liebe, was auch immer kommen mag. Und aus dieser Ruhe wächst die notwendige Gelassenheit und Zuversicht für unseren zurzeit so unalltäglichen Alltag. Amen.

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